„biete Zimmer für Zeit“ und „biete Zeit für Zimmer“

Letzthin habe ich auf den Weg nach Hause gleich mehrere Plakate bemerkt mit der Aufschrift „biete Zimmer für Zeit“ und daneben „biete Zeit für Zimmer“. Neugierig was es damit auf sich hat, habe ich mich dann übers Internet erkundigt.

Eine Organisation in St. Gallen hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen miteinander zu verbinden. Und zwar in dem sie Personen sucht, welche ein freies Zimmer zur Verfügung haben und dieses kostenlos zur Verfügung stellen. Pro Quadratmeter Zimmer ist der Preis dann je eine Stunde Zeit, die der Untermieter oder die Untermieterin bezahlt. Dies beispielsweise in Form von Schneeschippen, Kochen oder Einkaufen.

Ich finde diesen Gedanken sehr schön, da die Währung „ Zeit zur Verfügung stellen“ gleichgesetzt wird mit „Franken“. Natürlich, ohne Geld kann keine Wohnung gemietet werden, und ja Sie haben Recht, es braucht in der heutigen Zeit Geld, um beispielsweise überhaupt einkaufen zu gehen. Doch ein Gegengewicht zu setzen finde ich persönlich sehr ansprechend. Zeigt es doch, dass Zeit mit Menschen zu verbringen den gleichen Stellenwert haben kann wie Geld. Denn diese Zeit, um gemeinsam etwas zu unternehmen, ist – Sie ahnen es vielleicht worauf ich hinaus möchte – unbezahlbar.

Ich neige dazu, Dinge jeweils ziemlich kritisch zu hinterfragen und kritisch zu durchleuchten. Und diese kritische Stimme in mir meinte dann Folgendes:

Wer einfach auf der Suche ist nach einer kostenlosen Unterkunft, wird die Stunden Zeit, die zu bezahlen sind, vielleicht halbherzig und ohne Freude erledigen. Dies wirkt sich dann auf die Wohnatmosphäre aus. Wäre es dann nicht schöner, einen Untermieter zu haben der seinen Teil in Geld bezahlt, statt jemanden, der überhaupt nicht motiviert ist, einkaufen zu gehen oder auch Hilfe zu leisten beim Ausfüllen der Steuererklärung?

Ja, diese Gedankengänge können einleuchten. Ich muss mir jedoch selber widersprechen.

Ich gehe davon aus, dass sich auf dieses Projekt Personen melden, die sich wirklich für die Grundidee dahinter interessieren. Also Leute, die gerne Zeit mit Anderen verbringen. Und überhaupt – wenn man nicht möchte, ist dann nicht die Bezahlung mit Zeitstunden sehr „teuer“? Und „nervt“ vielleicht mehr als monatlich per Dauerauftrag die Miete zu bezahlen? Mir auf jeden Fall geht es so, wenn ich etwas überhaupt nicht gerne mache. Die Minuten kommen mir dann vor wie Stunden, und von einer Stunde ganz zu schweigen!

Darum bin ich sehr angetan von der Idee dieses Projektes in St. Gallen. Und aus dem gleichen Grund finde ich die Projektidee hinter „meins für dich für uns“ so spannend. Etwas Lernen, Zeit mit Menschen zu verbringen und vielleicht sogar neue Freundschaften schliessen. Einen Gegenpol zur Wichtigkeit von Geld zu setzen fasziniert mich und kommt mir sehr entgegen. Menschen sollten wieder Menschen begegnen, mit all ihren Facetten und sich für das Gegenüber interessieren. Erfahrungen austauschen, miteinander reden, Zeit zusammen verbringen, das können nur Menschen mit Menschen. Geld nützt da herzlich wenig. Echtes Interesse kann mit Geld eben doch nicht gekauft werden.

„Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt“ – Albert Einstein, theoretischer Physiker

 

Karin Morgenthaler

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