Fühl- und spürbar

Ich kenne meinen Sozialraum gut. Wenn ich aus dem Haus gehe, weiss ich dass ein kleiner Laden um die Ecke jeden Tag frisches Gemüse ausgestellt hat. Ich kenne den Kindergarten und den Kinderhort und sehe Eltern die ihre Kinder bringen oder abholen. Ich könnte meinen Arbeitsweg praktisch blind gehen, da ich weiss wann eine Schwelle kommt, wo ein Strassenübergang ist und wo sich die Ampeln befinden. Ich kenne den kleinen Kiosk, der aus „familiären Gründen“ praktisch nie geöffnet hat. Ich kenne die Bushaltestellen, welche umfunktioniert wurden zu einem Treffpunkt für junge Erwachsene. Vor allem wenn es regnet, da die Sitzgelegenheiten überdacht sind. Ich kenne den Grossverteiler, und die Entsorgungsstation. Ich erkenne täglich Leute wieder, welche ihren Hund ausführen oder zum Walken gehen. Ich erkenne die Jogger von Weitem, die sich mehrmals pro Woche treffen und die gleichen Shirts tragen. Ich weiss wo Skateboard gefahren wird und wo – auch wenn es nicht erlaubt ist – wilde Outdoor-Parties gefeiert werden bis spät in die Nacht. Und umgekehrt ist es auch so. Ich werde erkannt auf der Strasse. Es wird mir eine gute Nacht gewünscht wenn ich vom Pikettdienst nach Hause komme. Ich werde gefragt ob ich frei habe oder zum Spätdienst gehe.

Verlasse ich meinen Sozialraum, „mein“ Quartier, entdecke ich plötzlich neue Orte. Begegne anderen Menschen, sehe Treffpunkte die sich gebildet haben und niemand fragt mich ob ich Feierabend habe. Es ist sowohl die Faszination des Neuen, als auch – manchmal – die Sehnsucht nach dem Vertrauten.

So ein Sozialraum ist nicht bloss Theorie. Nein, er ist fühl- und spürbar. Er kann sowohl einengend wirken da man (wieder-) erkannt wird. Er kann jedoch auch ein verbindendes Element sein – beispielsweise bei Quartiersfesten.

Und wir Menschen sind Gewohnheitswesen. Auf die andere Seite der Stadt zu gehen um einzukaufen? Ach nein, ich bleibe doch lieber auf „meiner“ Seite, da kenne ich mich aus. Doch wer sich einmal aus seiner Komfortzone schält, wird feststellen, dass es sich lohnt, in den vertrauten Sozialraum von fremden Menschen einzudringen. Wir entdecken neue Orte, begegnen neuen Menschen, spüren neue Quartiersladen auf. Öffnen wir unseren Blick, erweitern wir unseren Raum vom Quartier zur gesamten Stadt.

Und wir können unseren Sozialraum aktiv ausweiten, Schritt für Schritt. Sei es strassenweise oder wenn wir ihn um Häuserreihen vergrössern. Das ist das Schöne daran: er ist nicht starr, sondern kann ge- und verändert werden. Genau so wie die Grösse änderbar ist, sind es auch die Inhalte. Beispielsweise durch das „meins für dich für uns“-Projekt. Alle Infos und Angebote finden sich auf www.meinsfuerdichfueruns.ch , vielleicht befindet sich das eine oder andere Angebot auf der anderen Seite der Stadt – so haben Sie gleich die Möglichkeit, neue Quartiere zu entdecken!

„Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen“ – Guy de Maupassant, französischer Erzähler

 

Karin Morgenthaler

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